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Buchtipp: Jeanne Immink – Die Frau die in die Wolken stieg

Jeanne Immink - Die Frau die in die Wolken stieg

Buchtipp:

Jeanne Immink –

Die Frau die in die Wolken stieg

Ich möchte euch hiermit das im Tyrolia Verlag von Harry Muré bald erscheinende Buch “Jeanne Immink – Die Frau die in die Wolken stieg” vorstellen. Die abenteuerliche Biografie einer Holländerin, die es als eine der ersten Bergsteigerinnen im 19. Jhd. mit den besten Kletterern ihrer Zeit aufnahm: Nach einem unsteten Leben in Afrika und Indien, abseits aller gesellschaftlichen Konventionen, zusammen mit den anerkanntesten Bergführern gelangen ihr Erstbegehungen und Gipfelbesteigungen im damals höchsten Schwierigkeitsgrad. Ein Gesellschaftsbild des Fin de Siecle und ein Kapitel Frauengeschichte mit einzigartigen historischen Aufnahmen.

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Jeanne Immink - Die Frau die in die Wolken stieg

Foto: Tyrolia Verlag

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Noch bevor die Holländerin 1889 ihren ersten Gipfel erobern sollte, führte sie ein Leben jenseits aller gesellschaftlichen Konventionen. Ihre gewonnene Freiheit gab sie nie mehr preis. Sie erstieg die steilsten Gipfel der Alpen, ihre Erstbegehungen und Gipfelbesteigungen in den Dolomiten machten sie zu einer der besten und anerkanntesten Bergsteigerinnen ihrer Zeit.

Faszinierend
Das Buch mit dem Titel »Jeanne Immink – Die Frau, die in die Wolken stieg« erzählt die Geschichte einer Bergsteigerin, deren Lebenswandel genauso faszinierend ist wie die Bergwelt selbst. Sie fühlte sich wohl in der Münchner Schickeria und gehörte zur Wiener Hautevolee, zog aber gleichzeitig als Nomadin durch die Berge. »Madame Immink« – so unterschrieb sie – spielte die vermögende Witwe und heuerte die besten Bergführer an. Mit Sepp Innerkofler, dem späteren Kriegshelden, bildete sie eine famose Seilschaft. Das Buch folgt den Spuren und Routen, es lässt uns die Kühnheit der Pioniere mit ihren Hanfseilen neu erleben.

Freundschaft
Jeanne Immink unternahm auch als Einzelgängerin schwerste Bergfahrten, genauso wie mit ihrem unehelichen elfjährigen Sohn – eine Verwegenheit, die aus heutiger Sicht schwer verständlich ist. Sie pflegte eine enge Freundschaft zu Theodor Wundt, dem Berufssoldaten und namhaften Publizisten. Dank seiner Fotoreportagen ist uns ihr Bildnis erhalten geblieben. Es handelt sich um die ersten historischen Aufnahmen einer Felsgeherin.

Besondere Menschen
Die Biografie der Jeanne Immink zeichnet – spannend wie ein Abenteuerroman – inmitten der überwältigenden Schönheit der Berge eine Welt von besonderen Menschen. Dem Autor war daran gelegen, die Leistungen der Bergsteigerin wirklichkeitsnah zu beschreiben. Deshalb wiederholte er zusammen mit dem Bergführer und Alpinexperten Donato Zagonel aus Primiero die meisten Touren. Wer die Berge liebt und dem Bergsteigen aus Überzeugung nachgeht, wird sich in den Erlebnissen von Jeanne Immink wiederfinden. Der Tyrolia-Verlag Innsbruck erkannte das Potenzial dieser überraschenden Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart und räumte Jeanne Immink den ihr gebührenden Platz ein.

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1. Leseprobe:

Kapitel 8

EIN SCHLUCK BRANDY GEFÄLLIG?

Eigentlich sollte Jeanne sich um Luigi kümmern. Weil aber das gute Wetter hält und der Proviant in dem Hüttchen am Col Rodella ausreicht, erliegt sie der Versuchung, den ursprünglichen Plan einer Besteigung der Fünffingerspitze durchzuführen. Luigi wird es schon verstehen. »Mein Söhnchen« nennt sie ihn. »Wenn wir wieder im Tal sind, Toni, musst du mich daran erinnern, dass ich meinem Söhnchen eine Karte oder einen Brief schicke.« Toni nickt. Ein Lebenszeichen wäre das Wenigste.

Oft monatelang bekommt Jeanne den Jungen nicht zu Gesicht. Obwohl die Patres im Internat Besuch uneingeschränkt erlauben, fährt sie nur gelegentlich nach Trient. Sie zieht es vor, während der Schulferien mit Luigi Spaziergänge zu unternehmen. Gegebenenfalls vertraut sie den Bub einer Zofe an, die sie speziell für diesen Zweck in Venedig angeworben hat und die gewillt ist, die Reisestrapazen in den abgelegenen Gebirgstälern zu ertragen. Im Hotel stellt Luigi seine Gesellschafterin den Gästen selbstbewusst als »Signorina Comina di Venezia« vor. Die Abwesenheit seiner berühmten Mutter stört ihn nicht, denn auf sie ist er genauso stolz.

Jeannes Absicht, kaum zwölf Stunden nach der Tour de force mit der »Menschenfalle« die Fünffingerspitze anzugehen, stößt bei den Männern im behaglichen Hüttchen auf Bedenken. Sie lässt es sich aber nicht ausreden. Toni kann sie allenfalls davon überzeugen, einen Ruhetag einzulegen, zumal das Ausbessern der ramponierten Seile und Kletterschuhe Zeit kostet. »Die Fünffingerspitze ist keine leichte Aufgabe«, meint Toni. »Es gibt nur einen Weg nach oben, und ich habe keine Ahnung, was uns dort erwartet.«

Die Fünffingerspitze wird südwestlich von der Grohmannspitze begrenzt und schmiegt sich nördlich an den Langkofel an. Als mittlere und niedrigste Figur eines der meistabgebildeten Dreigestirne des Hochgebirges scheint sie sich zunächst mit einer diskreten Rolle zu begnügen, tritt jedoch bei näherer Betrachtung in den Vordergrund der menschlichen Fantasie. Die Italiener nennen sie Cinque Dita, womit die besonderen Merkmale treffend betont werden. Der Berg gleicht einer gehobenen rechten Hand, die den Bergsteiger zur Besonnenheit mahnt. Viel hilft das nicht, denn die Unglücksfälle sind zahlreich und enden oft tödlich. Wie merkwürdig es auch sein mag, gerade dieser Umstand macht die Fünffingerspitze zur Attraktion.

Europa steht am Anfang der Belle í‰poque. Die politischen und kriegerischen Auseinandersetzungen flauen ab oder finden außerhalb des Blickfelds statt. In dieser verhältnismäßig ruhigen Zeit ist es dem Bürger vergönnt, sich mit amüsanteren Themen zu beschäftigen und seinem Hang zur Überschwänglichkeit und Koketterie nachzugeben. Dieser Sinneswandel spiegelt sich auch im Alpinismus wider. Mit zunehmender Verbissenheit versuchen die Felsgeher, einander zu übertrumpfen, und auf einmal steht die Fünffingerspitze im Brennpunkt.

Anstifter ist Ludwig Norman-Neruda gewesen, gebürtiger Schwede und Kunsthändler britischer Nationalität in London. Sein Temperament verdankt er den Eltern. Sein Vater ist der namhafte schwedische Komponist und Dirigent Fredrik Vilhelm Ludvig Norman, seine Mutter die mährische Violinvirtuosin Wilma Neruda. Mit dem Engadiner Führer Christian Klucker bildet Ludwig ein Gespann, das in den Schweizer Schnee- und Eisregionen Triumphe feiert.

Norman-Neruda ist einer der besten Kletterer seiner Zeit, ein Riese mit langen Armen, der auch als Führerloser von sich reden macht. Um in die Schlagzeilen zu geraten, hat er sich die Fünffingerspitze vorgeknöpft. In dem von ihm auserwählten Kamin in der Südostwand musste er sich jedoch geschlagen geben.

Der misslungene Versuch lockte zahlreiche andere Kletterer an. Alle scheiterten. Die Neugierde wuchs. An den Stammtischen in den Wirtshäusern im Tal wurde der Berg von Monat zu Monat unzugänglicher. Dreißig Seilschaften aus den unterschiedlichsten Ländern hatte er schon zurückgewiesen, als ein junger Wiener auftauchte, der Kunstmaler Robert-Hans Schmitt. Noch keine zwanzig war er, ein gewandter Athlet, aber zugleich ein Desperado, vom Typus Georg Winkler. Auch er kletterte ohne Führer, und er schloss Wetten auf seine sportlichen Leistungen ab. Mit dem eng befreundeten Fritz Drasch hatte er die erste Route durch die Dachstein-Südabstürze gelegt und damit ein viel diskutiertes Problem gelöst. Für das Vorhaben Fünffingerspitze tat er sich mit dem bald fünfzigjährigen Tiroler Johann Santner zusammen. Santner ist ein besonderer Mensch. Er führt mit seiner Frau Antonia eine Alpenblumenboutique in Bozen. Eigentlich ist er Uhrmacher von Beruf, aber die Zeit in den Bergen ist ihm wichtiger. Die seltenen Pflanzen für die Blumenbinderei pflückt er frisch in den steilsten Dolomitenfelsen. So entwickelte er sich zum Solokletterer.

Die Kombination von Draufgängertum und Reife führte am 8. August 1890 zum Erfolg an der Fünffingerspitze. Die Seilschaft Schmitt/Santner benutzte die schon von Norman-Neruda untersuchte Schluchtrinne und überwand in der düsteren, mit mächtigen Felsklötzen gefüllten Kaminreihe große Hindernisse. Schmitt berichtete: »Man klettert wie am Plafond eines Zimmers. « Einmal stürzte Santner, konnte aber weiterklettern. Dachartige Überhänge, abweisende Wandstücke und ein weiter Spreizschritt verlangten ein hohes Maß an Kaltblütigkeit. Nach vier Stunden erreichten die zwei Kletterer die Scharte zwischen Zeige- und Mittelfinger und mit dem Letzteren den Gipfel. Sie hinterließen eine Zinndose mit ihren Visitenkarten.

In der Bewertung kommt der fortan als Schmittkamin bezeichnete Aufstiegsweg technisch der Nordwand der Kleinen Zinne gleich, wird jedoch wegen seiner Komplexität höher eingestuft. »Die Tour ist bei weitem die schwierigste, welche ich jemals unternommen habe«, so Robert-Hans Schmitt. »Bei keinem anderen Gipfel hat man so viele böse Stellen zu überwinden. Wer wohl unsere Karten herabholen wird?«

Diese herausfordernden Worte haben einen erneuten Wettlauf ausgelöst. Jeanne weiß, dass sie keine Zeit verlieren darf. Eugen Zander traut sich die Besteigung nicht zu und überlässt ihr den tapferen Giuseppe Zecchini als zusätzlichen Führer. Er trägt das Reserveseil und die schweren Schlafsäcke, für den Fall, dass die Seilschaft auf dem fast 3000 Meter hohen Gipfel biwakieren muss. Den gleichen Fehler wie bei der Besteigung der Grohmannspitze möchte Toni nicht noch einmal machen.

Der Schmittkamin ist 300 Meter hoch. Die Feuchtigkeit, der Eisbelag und der Schlamm machen den Fels fast ungangbar, aber Jeanne ist den Schwierigkeiten bestens gewachsen und gerät nirgendwo in Bedrängnis. Hoch oben begradigt Toni die von Schmitt und Santner verfolgte Route und wählt eine logischere Variante. Er quert aus dem Kamin auf die Kante hinaus und steigt über sie und eine kurze, schwierige Wand direkt Richtung Zeigefinger. Dann wechselt er hinüber zum Hauptgipfel, der um 11.40 Uhr erreicht wird. Es ist Freitag, der 4. September 1891. Luigi ist am Tag zuvor neun Jahre alt geworden. Seine Mutter feiert den Geburtstag mit einem Prosit auf einem abgelegenen Berg.

Vor Freude und Ausgelassenheit erlauben Toni und Giuseppe sich ein Tänzchen auf dem Geröllparkett des Gipfels. Sie sind die ersten Bergführer auf dieser, wie Jeanne es formuliert, »außergewöhnlich schwierigen und gefährlichen Spitze«. Die Schachtel mit den von Robert-Hans Schmitt und Johann Santner hinterlassenen Zetteln liegt deutlich sichtbar in einem kleinen Steinmann. Jeanne fügt ihre Karte hinzu, versehen mit den Namen von Toni und Giuseppe und den gebührenden lobenden Worten. Die Karten der Erstbesteiger nimmt sie nicht an sich, so hochnäsig will sie nicht sein. Die Leute im Tal werden auch ohne Zeugnis glauben, dass sie oben war.

Toni beschränkt die Gipfelrast auf eine Viertelstunde. Als er gegen zwölf Uhr seine Gefährten zum Abstieg mahnt, hören sie Geräusche, fallende Steine, Stimmen. Von Norden her taucht, fast gespenstisch, eine Gestalt auf. Wenig später erscheint eine zweite Figur. Sprachloses Erstaunen, Verwirrung. Dann erkennt Jeanne die wie aus dem Nichts auftauchenden Geister als Ludwig Norman-Neruda und Christian Klucker. Sie sind über die entgegengesetzte Seite durch einen Kamin in der Nordwand emporgeklettert und haben so eine wichtige Neutour erstbegangen. Die beiden schauen gezeichnet und erschöpft aus. Sie haben frühmorgens ihre Rucksäcke am Einstieg zurückgelassen und haben weder zu essen noch zu trinken.

Die Freude über ihr gelungenes Werk schlägt um in Enttäuschung. Andere Leute auf dem Gipfel? Wo kommen die denn her? Schüchternes Händeschütteln. Jeanne rettet die peinliche Situation. Sie zaubert einen kleinen Flakon aus der Innentasche ihrer Jacke und bietet ihn dem angeschlagenen Norman-Neruda an. »Ein Schluck Brandy gefällig?« Eine symbolische Geste – die Chance lässt sie sich nicht nehmen. Das Fläschlein ist fast leer; es sind nur noch wenige Tropfen. Nun hat sich gezeigt, wie angebracht es war, dass…

2. Leseprobe:

Kapitel 10

FRAUENBEWEGUNG AM MATTERHORN

Jeanne wandert meistens allein, und sie klettert vorwiegend nur mit einem einzigen Führer. So erlebt sie die Eindrücke, die das Gebirge ausstrahlt, am stärksten und kann ungehindert ihre Ziele anstreben. Dem Gehen in der Gruppe weicht sie jedoch keineswegs aus. Während ihrer Streifzüge macht sie Bekanntschaften, die oft lange gepflegt werden. In jedem mittleren Bergdorf findet sich ein Wirtshaus, wo die Alpinisten einkehren, Erfahrungen austauschen oder sich zusammentun. Es ist wichtig, dass man »dazugehört«. In Sulden am Ortler lernt Jeanne das Ehepaar Rose und Louis Friedmann kennen, ebenfalls namhafte Mitglieder des Österreichischen Alpen-Clubs. Die Freundschaft mit Rose reicht bald weit über die Berge hinaus. Die beiden Frauen verbindet neben dem sportlichen Ehrgeiz eine offene und avantgardistische Weltanschauung. Rose, geborene von Rosthorn, festigt ihren Namen als Bergsteigerin mit Neutouren im Ortlergebiet und in den Dolomiten. Sie ist imstande, gleich mehrere Gipfel an einem Tag zu besteigen. Weltbekannt wird Rose als eine der Femmes fatales des Malers Gustav Klimt, mit dem ihr eine kurzlebige Beziehung nachgesagt wird. Er porträtiert die Bohémienne von expressiver Schönheit um 1900. Das Bild, betitelt »Rose von Rosthorn-Friedmann«, zeigt eine Frau, die sich demonstrativ von der gesellschaftlichen Beengtheit abwendet.

Jeanne Immink - Die Frau die in die Wolken stieg

Sepp Innerkofler und Antonio Dimai. Der Südtiroler Innerkofler (links) und der »Welsche« Dimai kamen trotz kultureller Unterschiede sehr gut miteinander aus. Das Bild zeigt die beiden nach der erfolgreichen Bergführerprüfung 1889 in Bozen. Jeanne Immink war ihre erste namhafte Klientin. – Foto: Tyrolia Verlag

 

Jeanne und die zehn Jahre jüngere Rose sind einander in den Schnee und Eisregionen des Ortlers, wo die Kletterfertigkeit weniger zählt, gleichwertig. Sie überschreiten drei Gipfel auf einen Schlag, alle weit über 3000 Meter hoch: Suldenspitze, Schrötterhorn und Kreilspitze. Es ist zwar nicht die schwierigste Aufgabe, aber immerhin eine stattliche Modetour, wobei es darauf ankommt, laut Meldung der Damen, den Höhenausflug »an einem Tage« zu bewältigen. Das gelingt ihnen mühelos.

Im August des Jahres 1892 geben Jeanne und Rose sich ein Stelldichein in Zermatt. Mit von der Partie ist eine Anzahl namhafter Mitglieder des Österreichischen Alpen-Clubs. Die zwei Bergsteigerinnen werden förmlich umschwärmt von der männlichen alpinen Elite. So verwunderlich es angesichts des geschichtlichen Klischees, das die Frau im Gebirge als exotische Kreatur darstellt, auch klingt: Es herrscht am Fuß des Matterhorns eine musterhafte Gleichberechtigung in der Gruppe, und dies nicht nur der Höflichkeit wegen. Selbst modisch ist ein Unterschied kaum noch erkennbar. Sowohl beim Plausch im Bergsteigerhotel Seiler als auch während der Gipfelrast auf dem Obergabelhorn wird das nächste Tourenziel des Vereins nur in Absprache mit Jeanne und Rose festgelegt.

Das Obergabelhorn ist einer der formschönsten Berge der Schweiz. Seine Besteigung ist ein seriöses Unterfangen mit Stellen im dritten Schwierigkeitsgrad, das manchem Mann mehr zu schaffen macht als den beiden Frauen. Jeanne hat zum ersten Mal nach langer Zeit einen neuen Bergführer, und zwar Mansueto Barbaria. Ihre Freunde wundern sich. »Wo ist der Toni?« Es gibt hoffentlich keine Differenzen, wie so oft zwischen einem Touristen und seinem Führer? Aber diesmal ist der Anlass viel tragischer: Toni hat eine ernsthafte Fußverletzung. Er kann kaum gehen. Während einer Tour in den Sextener Dolomiten ist er von dem herabstürzenden Pickel seines vorauskletternden Kollegen Sepp Innerkofler getroffen worden. Dessen Handschlaufe riss, das Gerät entglitt dem Sepp und sauste in die Tiefe. Wie eine Lanze bohrte sich die Spitze in Tonis Fuß. Grotesker kann ein Unglück nicht sein. Toni und Sepp sind Busenfreunde, sie haben zu zweit den Führerlehrgang in Bozen absolviert.

Für Toni bedeutet der Vorfall eine Katastrophe. Die Heilung dauert, er wird die ganze Saison nicht mehr zum Einsatz kommen. Für die Reise in die Schweiz empfiehlt er Jeanne seinen Genossen Mansueto Barbaria, ebenfalls aus Cortina d’Ampezzo, einen bereitwilligen, klettergewandten Guida Alpina, mit dem sich ein passabler Tarif aushandeln lässt. Die Gebührensätze der Schweizer Bergführer kann Jeanne nicht aufbringen, die sind höher als das Matterhorn selbst. Zudem mag Jeanne die Walliser Führer nicht. Sie haben zwar den Ruf, die Besten zu sein, verhalten sich jedoch einer Frau gegenüber weniger entgegenkommend als die Südtiroler. In ihren Notizen macht Jeanne keinen Hehl daraus: Bergpartner wie Michele Bettega und Antonio Dimai »möchte ich ausdrücklich den ersten Schweizer Bergführern zur Seite stellen«.

Die Tourenwoche von Jeannes Klub in der Schweiz zeigt, wie anders die sportliche Ethik und das Erleben des Alpinismus im Vergleich zu den Auffassungen unserer technokratischen Zeit waren. Während die Bergsteiger heute auf fast ebenem Weg bequem von Hütte zu Hütte wandern, die Rucksäcke oft mit dem Geländewagen von A nach B transportiert werden und Gipfelanwärter kaum mehr als 1000 Höhenmeter zu bewältigen haben, sind Jeanne und Rose 20 Stunden ununterbrochen auf den Beinen. Um eins in der Nacht ziehen sie am Riffelhaus los, erreichen gegen zehn die Dufourspitze und kehren abends nach neun ins Hotel zurück. Die Eisarbeit auf den Gletschern erfordert viel Zeit. Da die Gruppe sich bei der Suche nach einem direkteren Abstieg in eine Séraczone verirrt und wieder weit aufsteigen muss, um in leichteres Terrain zu gelangen, beträgt der überwundene Höhenunterschied am Ende des Tages fast 3000 Meter.

Als ob nichts gewesen wäre, überschreiten die munteren Exkursionisten nach einer kurzen Atempause das Matterhorn von Zermatt nach Breuil. Der von einem kräftigen Hoch verursachte sturmartige Nordwind bläst sie beinahe vom Hörnligrat herunter. Diesmal dauert die Bergreise sogar noch länger
als 20 Stunden.

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Der Autor:

HARRY MURí‰ – Der bekannte holländische Sportjournalist und begeisterte Bergsteiger hat sich in jahrelanger akribischer Recherche dem Leben Jeanne Imminks gewidmet. Die holländische Originalausgabe dieses Buches erschien 2003 unter dem Titel “Het Mysterie Jeanne Immink – De vrouw de naar de wolken klom”.

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“Jeanne Immink – Die Frau, die in die Wolken stieg”

Harry Muré

Das ungewöhnliche Leben einer großen Bergsteigerin

272 Seiten, 66 farbige und schwarzweiß Abbildungen,

22,5 x 15cm, Einband – fest (Hardcover)

ISBN :  978-3-7022-3075-3

Quelle: Tyrolia-Verlag

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