Über die Hunerscharte und den Ostgrat
Aus dem Rother Wanderbuch “Dachstein-Tauern” von Sepp Brandl, © Bergverlag Rother
Gigantische Felsbastion über drei Gletschern
Der Hohe Dachstein im Dachsteingebirge in der Steiermark ist ein Musterbeispiel für einen Berg mit Routen im Fels und Firn (drei Gletscher), für die Entwicklung des Alpinismus von seinen Anfängen bis zum ganzjährigen, bergsportlichen Tummelplatz, für ein umfassendes touristisches Angebot mit Wandern, Klettern, Klettersteigen, Skitouren und Gletscherskilauf in Österreich. Hier steht dem Bergfreund schlichtweg das gesamte Spektrum des alpinistischen Betätigungsfeldes offen. Dementsprechend ist auch der Andrang, besonders im Bereich der Seilbahn. Doch auch hier kann man bei klugem Vorgehen noch eine genussvolle Zeit und die Vorzüge eines überragenden Gipfels erleben, selbst wenn der Mensch heute Teile des Gletscherbereiches um den Gipfel auf Strandniveau herunterzuholen scheint.
Einen sehr interessanten Einblick in die Geschichte des Bergsteigens am Dachstein bietet das besuchenswerte Alpinmuseum auf der Austriahütte. Für den Hohen Dachstein, den höchsten Gipfel dieses Wanderbuches, gilt trotz oder gerade wegen der intensiven Erschließung unverändert der Grundsatz: Wer einen Berg in seiner ganzen Größe, Eigenart und Schönheit erleben will, der muss die Füße einspannen, seine Sinne öffnen und mit dem Aufstieg im Tal beginnen, also für den Weg nach oben auf eine vorhandene Bergbahn verzichten. Da diese Methode nach wie vor den intensivsten Reiz vermittelt, wurde auch die Tour Wanderung auf den Hohen Dachstein entsprechend gestaltet. Wer nur oben gewesen sein will, benutze die Bahn – hin und zurück! Wem die Route über die Hunerscharte zu wenig Nervenkitzel verheißt, wähle als Klettersteig zum Dachstein den sehr schweren “Johann” oder den extremen “Sky Walk”.
Touren-Steckbrief
Talort:
Ramsau am Dachstein (1135 m), Bus von Schladming.
Ausgangspunkt:
Parkplatz der mautpflichtigen Dachsteinstraße (1680 m). Zufahrt von Ramsau oder Filzmoos.
Höhenunterschied/Gehzeit:
1400 m, von der Seilbahn etwa 450 m / 8h 30min
Anforderungen/Wegbeschaffenheit:
Klettersteigausrüstung und Erfahrung auf luftigen, schwierigen Klettersteigen sowie im steilen Firngelände (u.U. Steigeisen oder Grödel) zwingend erforderlich oder mit Bergführer.
Einkehrmöglichkeiten:
Dachstein-Südwandhütte, Austriahütte (beide bewirtschaftet Ende Mai bis Ende Oktober), Seethalerhütte auf der Dachsteinwarte (keine Übernachtungsmöglichkeit!), Hotel Türlwand, Gasthaus Hunerkogel und Gasthaus Dachstein bei der Talstation, Restaurant an der Bergstation der Hunerkogelbahn
Varianten:
1. Leichte Gletscherwanderung von der Bergstation der Hunerkogelbahn zur Seethalerhütte auf präparierter Gletschertrasse (“blau”, jedoch Höhenlage und UV-Strahlung beachten, 45 Minuten in einer Richtung).
2. Abstieg durchs Edelgrieß: Vom Hunerkogel auf AV-Weg Nr. 672 über Firn ostwärts hinab, dann links von einer großen Pfeilmarkierung zu einer Eisenleiter hinauf (Austriascharte). Durch einen Tunnel zu einem ausgesprengten, breiten Felsenweg, anschließend je nach Firnsituation über einen Grat in eine Scharte und in der Ostflanke des Hinteren Türlspitz oder – nur bei griffigem Firn – direkt von der Scharte auf einen Firnboden hinab (u.U. Steigeisen erforderlich). Über eine mit Eisenbügeln gesicherte 10-m-Stufe ins schuttreiche Edelgrießkar, danach durch ein Latschenfeld hinab und zuletzt auf AV-Weg 615 zur Türlwandhütte zurück (ca. 3.00 Stunden vom Hunerkogel). An Wegteilungen stets rechts halten!
Tourenbeschreibung
Rechts neben der Dachsteinseilbahn wandern wir den breiten Weg Nr. 615 auf. Er verläuft zuerst im lichten Lärchenwald und durch Alpenrosen, dann am Fuß mächtiger Felswände entlang und quert auf bequemer Trasse ein riesiges Schuttkar mit Lawinenresten und einem mächtigen Wasserfall. Zuletzt zieht er über freies Gelände zur weithin sichtbaren und auf einem aussichtsreichen Sporn gelegenen Dachstein-Südwandhütte hinauf.
Wer anderntags der Menschenschlange auf dem Dachsteingletscher und dem Stress an den Drahtseilpassagen des Dachsteingipfels zuvorkommen und wenigstens teilweise ausweichen will, sollte an der Hütte schon mit Tagesanbruch starten. Der Weg Nr. 615 folgt gleich hinter der Hütte einer Rippe, erreicht dann im Rechtsbogen ein Schartl, führt anschließend links am Hang entlang und gelangt über eine mit Drahtseil gesicherte Felsstufe von der Unteren in die Obere Schwadering. An deren Schwelle geht es auf die Ostseite hinüber, dann links über Schrofen und Felsbänder und noch einmal links (!) über eine Runse und über Schrofen auf ein unbedeutendes Köpfl.
Anschließend steigen wir etwa 80 Hm in Serpentinen über einen Schutthang und steuern dann links in Richtung Bergstation zu, bis in einer Rinne der gut mit Seil und Eisenbügeln gesicherte Klettersteig beginnt. Er erstreckt sich über knapp 200 Hm, zieht abwechselnd steil und auch luftig sowie in Rinnen (Schneereste) in einen Kessel hinauf. Nach ausgesetzten Felsplatten und einem Quergang, steilt die Route wieder auf und schlüpft zuletzt durch einen Kamin auf die Hunerscharte.
Über ein Firnfeld wandern wir links in Richtung Bergstation der Hunerkogelbahn, vor der wir auf den präparierten Gletscherwanderweg treffen. Auf diesem gehen wir zum großen Kolk am Fuß der Dirndl hinab und dann im Linksbogen zur Seethalerhütte hinauf. Dort, wo vor dieser die Trasse einen Linksschwenk vollzieht, steuern wir geradeaus auf den Sockel des Dachstein-Ostgrates zu. Hier beginnt der Schulterweg (Klettersteig). Er führt mit Hilfe von Eisenstiften und Seil ausgesetzt über ein Wandl auf ein Schartl, dann abwechselnd links und rechts sowie direkt auf der Gratschneide und auf plattigem Band auf die Ostschulter. Ziemlich höhengleich geht es nun zu einem Felsband, das sich durch die Nordwand leicht zur Gipfelrinne und zum “Randkluftweg” hin senkt. Mit Hilfe von Eisenstiften, -bügeln und einem durchgehenden Drahtseil klettern wir über sehr steilen Fels auf den Hohen Dachstein im Dachsteingebirge.
Unter der Voraussetzung, dass die Randkluft nicht zu weit offen ist (vorher unbedingt erkundigen!), wählen wir für den Abstieg den Randkluftweg, der als erster Klettersteig der Alpen gilt, 2007 saniert wurde und einen Tick leichter ist als der Schulterweg. Dazu steigen wir auf bekannter Route zum Felsband ab, queren auf diesem ein kleines Stück westwärts, und klettern dann durch einen gesicherten Kamin zur Randkluft ab. Nach deren Überwindung geht es über ein steiles Firnfeld (Hallstätter Gletscher) zur Aufstiegsroute und zur Hunerkogelbahn zurück, mit der wir am problemlosesten ins Tal gelangen.
Wer weder mit der Bahn noch entlang der Aufstiegsroute zum Ausgangspunkt zurückkehren will, dem/der bietet sich vom Hunerkogel der Abstieg über die Austriascharte und das Edelgrieß an, der aber recht unangenehm und mühsam sein kann (Variante 2)!
Tourenüberblick
Die GPX-Daten wurden auf Grundlage der geprüften GPX-Daten
des Rother Wanderbuchs “Dachstein-Tauern mit Tennengebirge” erstellt.
Mit freundlicher Genehmigung des Bergverlag Rother.
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