Aus dem Buch “ABENTEUER Alpinklettern TIROL” von Otti Wiedmann, © Tyrolia Verlag
Klettertour
Lamsenhüttenturm (2216m)
Inhaltsverzeichnis
Nordostkante (“Gelbe Kante”), VI/A0, frei VI+
Gerade Nordostwand, V+/A0, frei VI-
Das Gebiet um die Lamsenjochhütte ist natürlich das Hausterrain der Schwazer Bergsteigerelite. Waroschitz, Eller und Baumgarten fanden hier nach dem Zweiten Weltkrieg einige schöne, neue Routen. Gern verirrten sich aber auch Extreme aus allen Himmelsrichtungen in dieses reizvolle Karwendelgebiet. Vor allem Hermann Buhl machte hier einige, zum Teil waghalsige Erstbegehungen, wobei die “Gelbe Kante” etwas hervorsticht. An dieser Kante kann es aber leicht passieren, dass man einige Zuschauer in großer Nähe als kritische Beobachter dulden muss. Direkt vis-í -vis verläuft nämlich der Weg zum sogenannten Lamsentunnel, der an schönen Wochenenden natürlich oft benutzt wird. Der Anblick der Kletterer an der Kante muss für die Wanderer unter ihnen atemberaubend sein, für den Werber der Route ist der Gesamteindruck nicht so spektakulär, fällt doch ein Vergleich mit der “Gelben Kante” an der Kleinen Zinne eher bescheiden aus. Vor über 40 Jahren prophezeite ich, dass die große gelbe, überhängende Schuppe bald herunterbrechen wird, was sich bis heute nicht bestätigt hat. Heute sind diesbezüglich keine Bedenken mehr vorhanden. Diese Schuppe wurde von Buhl und Schiendl mit großen Holzkeilen abgesichert, da sind heute große Friends ein probates Mittel. Das Absichern von Rissen ist seit der Erfindung des Friends von Ray Jardine im Jahr 1978 sehr viel einfacher geworden und der Zeitaufwand, den man braucht, um gute Sicherungspunkte zu “bauen”, hat sich enorm verkürzt.
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Routenbeschreibungen:
Der Einstieg der “Gelben Kante” befindet sich etwas links der Falllinie der im oberen Teil stark überhängenden Kante. Durch eine Links-rechts-Schleife in mittelschwerem Gelände erreicht man den Beginn der Steilzone. Durch einen etwas versteckten Riss und anschließenden Linksquergang (VI) gelangt man in eine Verschneidung knapp links der Kante und weiter ziemlich gerade hinauf bis zur erwähnten Schuppe, wo sicher noch ein Teil von den Holzkeilen der Erstbegeher in mehr oder minder gutem Zustand anzutreffen ist. Über der Schuppe ist ein recht guter Standplatz, wo man sich von der erhöhten Herzfrequenz erholen kann, die vermutlich durch die Durchsteigung der überhängenden Schuppe verursacht wurde. Eine letzte steile, aber gut griffige Seillänge leitet hinauf zum schmalen Gipfel, von wo man in herrlicher Vogelperspektive das bunte Treiben auf der fast 400 m tiefer gelegenen Hütte beobachten kann.
Der Abstieg ist kein großes Problem. Nach kurzer, leichter Kletterei nach Südwesten (II) erreicht man den Lamsentunnelsteig und kann nun selbst den verwegenen Blick in die überhängende Kantenzone genießen, ehe man die visuellen Freuden mit Gaumengenüssen auf der Hütte vertauscht.
Der Einstieg der Geraden Nordostwand befindet sich zwei Felsvorsprünge rechts oberhalb des Kantenbeginns. Durch eine schmale Rinne nach links gelangt man in leichteres Gelände. Nun gerade hinauf unter eine steile, gelbe Wandzone und weiter im grauen Fels dem Riss folgend. Ein kurzer Quergang nach links leitet in die von unten gut sichtbaren Parallelverschneidungen, wobei man die linke benützt. Die nächsten zwei Seillängen bieten anspruchsvolle Kletterei, und man sollte sich nicht verleiten lassen, nach etwa 40 m in die nach rechts führende brüchige, aber unschwierig aussehende Rampe zu klettern. Es geht gerade hinauf zu einem leicht überhängenden Riss mit vielen Haken, der heutzutage zusätzlich mit kleinen Friends gut abzusichern ist. Darüber folgt noch eine schöne Seillänge, die gerade zum Gipfel führt.
Der Abstieg erfolgt wiederum auf der Südwestseite zum Lamsentunnelsteig.
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Erstbegeher /Erhalter:
“Gelbe Kante”: Hermann Buhl und Rudl Schiendl, 1947.
Gerade Nordostwand: Hermann Buhl und Luis Vigl, 1947.
Schwierigkeit:
“Gelbe Kante”: VI/A0, frei VI+.
Gerade Nordostwand: V+/A0, frei VI-.
Kletterzeit:
3 bis 4 Stunden für jede Route (Wandhöhe 230 m).
Material:
Doppelseil (50-60 m), 10 Expressschlingen, kleine, mittlere und große Friends, Klemmkeilsortiment, Bandschlingen (60 und 120 cm).
Talort:
Pertisau
Talort Höhe:
952m
Höhe Einstieg:
1900m
Hütten:
Lamsenjochhütte
Ausgangspunkt:
Lamsenjochhütte (1953 m), von der Gramaialm (1264 m) in 1½ bis 2 Stunden, dorthin auf Mautstraße von Pertisau am Achensee.
Gebietsüberblick:
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Karte:
Kompasskarte (Blatt 26) – Karwendelgebirge (Maßstab: 1:50.000)
Diese und weitere interessante Klettertouren finden Sie in dem Buch “Abenteuer Alpinklettern Tirol” vom Tyrolia Verlag.
Quelle: Tyrolia Verlag