Westwand, “Buhldurchschlag”, VI-/A0, frei eine Stelle VI
Aus dem Buch “ABENTEUER Alpinklettern TIROL” von Otti Wiedmann, © Tyrolia Verlag
Das Karwendel ist das Gebirge der tiefen Impulse und des Schweigens. Große Dichter und Musiker könnten einen Teil ihrer Anregungen aus der erhabenen Ruhe dieser Landschaft erhalten haben. Kaum irgendwo trifft Goethes Wort: “Die Berge sind Meister des Schweigens und machen schweigsame Schüler” besser zu als hier. Karg, still, in den Farbtönen zurückhaltend und fein abgestimmt, so zeigt sich das Gebirge dem Betrachter.
Steile Wandfluchten sind spärlich, aber in einer großartigen Wildheit, aufgeteilt auf alle drei Hauptketten: in der dritten Kette der Höhepunkt und das Glanzlicht, die Laliderer-Nordwand, in der mittleren Kette die düstere Nordwand der Praxmarerkarspitze und in der ersten Kette die Wände ums Lafatscherjoch. Sie alle geben dem Gebirge den unverwechselbaren Charakter. Eine Tour im Gebiet des Lafatscherjochs beginnt praktisch fast im Inntal, wobei man aber gegen eine Mautgebühr den ersten Teil der Halltalstraße befahren darf. Außerdem bieten sich das Hallerangerhaus und die Hallerangeralm als beste Unterkünfte an, von wo aus sämtliche Einstiege in kurzer Zeit erreichbar sind. Auch hier ist im Bereich der Hütte und der Alm eine recht beachtliche Zahl an kurzen Sportklettereien eingerichtet worden. Der extreme Sportkletterer, der es liebt, in schwierigstem Terrain, Zwischensicherungen selbst anzubringen, findet in den Schnitlwänden (Tschechenplatte) oder in der Plattenflucht links der Lafatscher-Verschneidung ein hervorragendes Betätigungsfeld. Ein Programm für viele, viele Klettertage wartet hier, und wenn man die Nordwand der Speckkarspitze mit einbezieht, dann reicht das Angebot vom IV. bis zum IX. Grad und bis zu einer Wandhöhe von fast 500 m.
Im September 2007 hat Tirols Neulanderschließer Nummer eins, Reini Scherer mit Dieter Stöhr gleich rechts neben dem “Buhldurchschlag” durch die äußerst kompakten Platten die Route “Anna lacht” eröffnet, sie von unten mit Bohrhaken eingerichtet und Dieters Tochter Anna Stöhr gewidmet, die an diesem Tag in Spanien Boulderweltmeisterin 2007 wurde. Diese Sieben-Seillängen-Route mit einer VIII-Schlüsselstelle ist sicher eine tolle Bereicherung im Routenangebot rund um den Hallerangerkessel. Näheres und Topo sind unter www.kletterzentrum-tivoli.at dem Internet zu entnehmen. Durch die äußerst kompakte Westwand des Speckkarspitze-Westwandecks führt der sogenannte “Buhldurchschlag” in beinahe kerzengerader Linienführung bis zu den Gipfelschrofen. Eine Führe, die in beeindruckender Weise von der Leistungsfähigkeit Hermann Buhls zeugt.
Inhaltsverzeichnis
Routenbeschreibung
Der markante Doppelriss (Rinne) in der linken Wandhälfte vermittelt den Weg. Der Einstieg befindet sich in der Falllinie diese Doppelrisses, und es geht gleich in der zweiten Länge steil und schwierig los. Am Beginn des Parallelrisses benützt man zuerst den linken und wechselt nach mehreren kleinen Überhängen in den rechten, um gleich wieder mittels heikler Querung nach links zu retournieren (angeblich steckt hier jetzt ein Bohrhaken). Der Riss weitet sich zu einer Rinne und die Schwierigkeiten nehmen ab, der Klettergenuss nimmt zu. Im obersten Wanddrittel geht’s immer noch in schnurgerader Linie hinauf bis zu den besagten Gipfelschrofen des Nordwestecks (III-IV). Der Übergang zum Speckkargipfel ist noch recht weit, aber landschaftlich sehr schön. Man kann aber über Bänder und Schotterhalden nach Süden direkt zum Lafatscherjoch queren und erreicht von dort in 20 Minuten die Alm oder die Hütte. Wer nicht mehr zur Hütte zurückmuss und sein Fahrzeug im Halltal stehen hat, der macht sich am besten vom Joch gleich über die Herrenhäuser dorthin auf den Weg (vom Joch bis zum Parkplatz Bettelwurfeck ca. 1½ Stunden).
Touren-Steckbrief
Erstbegeher /Erhalter:
Hermann Buhl und Luis Vigl, 1947.
Schwierigkeit:
VI-/A0, frei geklettert eine Stelle VI.
Kletterzeit:
4 bis 5 Stunden (Wandhöhe 450 m).
Material:
Einfachseil (50 bis 60 m), 6 bis 7 Expressschlingen, kleine, ein mittlerer und ein großer Friend, kleine und mittlere Klemmkeile, Bandschlingen (60 und 120 cm).
Hütten:
Hallerangerhaus, Hallerangeralm, Kastenalm, Pfeishütte
Ausgangspunkt:
Hallerangerhaus (1768 m) oder Hallerangeralm (1760 m), von Scharnitz über die Kastenalm in 5 Stunden, vom Bettelwurfeck im Halltal (1100 m, Autoparkplatz, Mautstraße ab Absam) in 2½ Stunden erreichbar. Auch von Innsbruck kann man den Hallerangerkessel erreichen: ab Hafelekar (Auffahrt mit der Nordkettenbahn), über die Pfeishütte, Stempel- und Lafatscherjoch in etwa 4 Stunden.
Gebietsüberblick
Tourentipps, Unterkünfte und sonstige interessante Orte in Tirol
Passende Karte und Wanderbuch kaufen
Kompasskarte (Blatt 26) – Karwendelgebirge (Maßstab: 1:50.000)
Diese und weitere interessante Klettertouren finden Sie in dem Buch “Abenteuer Alpinklettern Tirol” vom Tyrolia Verlag.
Quelle: Tyrolia Verlag