Home TravelEuropaNorwegen Ut på tur, aldri sur – Wandernd unterwegs im herbstlichen Lappland…

Ut på tur, aldri sur – Wandernd unterwegs im herbstlichen Lappland…

Simonpatur - Blick in die Ferne
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-Gastbeitrag-

Die Morgensonne steigt langsam über die Hügel empor, die meinen Lagerplatz umgeben. Schon durch das dünne Nylon hindurch spüre ich die Wärme, die sich langsam im Inneren breit macht und den Raureif in kleine Wassertropfen verwandelt. Als ich mit einem leisen Surren den Reißverschluss der Apside meines Zeltes öffne, suchen sich sofort die ersten warmen Sonnenstrahlen ihren Weg hinein. Verschlafen reibe ich mir die Augen, die sich erst einmal an das Meer aus Sonnenstrahlen gewöhnen müssen. Ich fühle eine angenehme Wärme auf der Haut und die Sonne zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht.

Simonpatur - Pause

Eine gemütliche Pause – Foto: www.simonpatur.de

 

Lange habe ich auf diesen Moment gewartet, ich bin schon eine ganze Weile unterwegs, und zwar auf einer Langtur, wie man hier in Skandinavien sagt. Während der letzten Tage war an solch eine Morgenstimmung nicht zu denken. Die Umgebung hat sich morgens stets nebelverhangen gezeigt. Eine feuchte Kälte hat dafür gesorgt, dass ich wenig Lust verspürte mich aus dem kuscheligen Daunenschlafsack zu schälen. So lange wie nur eben möglich habe ich es aufgeschoben, mich der morgendlichen Routine zu widmen. Immer wieder kam mir dabei eine Frage in den Sinn: Warum mache ich das bloß?

Eine gute Frage! Ja warum quält man sich am Morgen bei nasskalter Witterung aus dem Schlafsack? Die müden Glieder kommen nur mühsam in Schwung und die Aussicht auf einen weiteren Tag in Regenkleidung durchs Fjell zu streifen, steigern die Motivation auch nicht gerade. Aber irgendwie lockt es mich dann doch wieder, einen weiteren Tag draußen in dieser dramatisch schönen Landschaft verbringen zu dürfen. Hat man sich überwunden und beim Frühstück gemütlich gemacht, kommen die Lebensgeister schnell zurück. Steht erst einmal der Tee dampfend vor einem und die Müslischale wärmt die Hände, drängt sich die Abenteuerlust wieder ungeduldig in den Vordergrund.

Simonpatur - Bruecke

Brücke über den Fluss – Foto: www.simonpatur.de

 

Heute aber treibt mich die Morgensonne an. Nur noch schnell zur Katzenwäsche an den nahen Bach, danach mit klammen Fingern die komplette Ausrüstung zum hundertsten Mal wieder im Rucksack verstauen, und schon kann es weiter gehen, immer angetrieben von der Neugier auf neue Erlebnisse.

Die Sonne steigt immer höher, der Morgendunst verschwindet langsam und die klare Luft ist ein einziger Genuss. Die Freude auf den Tag steigt, ich laufe los und halte Ausschau nach der nächsten Wegmarkierung. Meine Gedanken schweifen ab, immerzu muss ich an den gestrigen Abend denken, ich bekomme die Bilder nicht mehr aus meinem Kopf.

Es war kurz vor neun am gestrigen Abend. Ich liege bereits eingekuschelt im Schlafsack und höre auf meinem iPod zum Tagesausklang ein spannendes Hörspiel, als sich ein dringendes Bedürfnis bemerkbar macht. Nur widerwillig schlüpfe ich aus dem warmen Nest und ziehe vorsichtig den Reißverschluss des Außenzeltes auf, um auszutreten. Die kalte Abendluft strömt mir entgegen und treibt mich an. Schnell werfe ich einen Pullover über und suche meine Sandalen, als sich plötzlich grüne Schlieren am Himmel zeigen. Zuerst bergreife ich nicht, was gerade vor sich geht, doch dann läuft mir ein Schauer über den Rücken und ich bekomme eine Gänsehaut: Nordlichter!

Simonpatur - Rastbank

Rastbank – Foto: www.simonpatur.de

 

Über mir werden die grünen Schlieren immer intensiver, die tanzende Aurora Borealis erfüllt den gesamten Himmel! Ein unglaubliches Spektakel bietet sich mir in diesem Augenblick. Mit offenem Mund stehe ich da und kann nicht fassen, was gerade um mich herum geschieht! Auf dieses Schauspiel musste ich lange warten und nun kann ich mich nicht sattsehen. Ganz allein im weiten Fjell stehe ich neben meinem Zelt, nur die funkelnden Sterne und das leuchtende Nordlicht erhellen die Umgebung!

Zurück ins Hier und Jetzt, der gestrige Abend kommt mir wie ein ferner Traum vor. Ich folge den Wegmarkierungen, die aus aufgeschichteten Steinen bestehen und mit einem Zeichen des Wanderverbandes versehen sind. Der schmale Pfad vor mir ist kaum zu erkennen, der Boden ist übersät mit Steinen. Oft lassen sich die nächsten Wegmarkierungen nur mit geübtem Auge erkennen. Die Wegmarkierungen sind teilweise uralt, man kann nur schätzen wie lange sie schon Wind und Wetter trotzen. Sie sind allesamt mit Flechten und Moosen bewachsen, der Patina des nordischen Fjells.

Simonpatur - Die Weite

Foto: www.simonpatur.de

 

Die Landschaft ist mittlerweile in ein weiches Licht getaucht, der Himmel ist tiefblau und die wärmende Sonne krönt die wunderbare Stimmung. Ich komme gut voran, es ist ein Wandertag wie aus dem Bilderbuch. Genau so, wie man ihn sich erträumt, wenn man bei der Planung der Tour an die Berge und Hochebenen Skandinaviens denkt. Gegen Mittag mache ich eine Pause und lasse mich an einem großen Felsen nieder, der mir als Rückenlehen dient. Wie heißt es doch so schön: Das Schönste im Leben, das sind die Pausen!

Am nahen Bach fülle ich meine Trinkflasche mit kühlem Wasser und krame einen Kvikk Lunsj Schokoriegel aus dem Deckelfach meines Rucksacks hervor. Eine leichte Brise kommt auf, ich genieße die Pause in vollen Zügen, um mich herum zwitschern einige Vögel, ein kleiner Lemming beäugt mich neugierig aus seinem Versteck. Ein Gefühl tiefer Entspannung macht sich breit.

Simonpatur - Uebernachtungsplatz

Übernachtungplatz mit Ausblick – Foto: www.simonpatur.de

 

Auch die schönste Pause geht irgendwann zu Ende, ich verstaue meine Wasserflasche und das Sitzkissen aus Schaumstoff wieder im Rucksack. Ich mache mich auf, um meinem Ziel für den Tag näher zu kommen. Die Landschaft wird nun offener, der Weg schlängelt sich über flache Terrassen hinab zu einem reißenden Fluss. Eine Hängebrücke kommt in Sicht, die hier vom Wanderverband für aufgebaut wurde.

Über eine schmale Stiege erklimme ich die Brücke und überquere vorsichtig den reißenden Strom, gut zwanzig Meter breit ist die schwankende Konstruktion unter meinen Füßen. Auf der anderen Uferseite werfe ich einen letzten Blick zurück und mache mich wieder auf, um dem Weg zu folgen. Ich bin schon später im Jahr unterwegs, nur ganz selten treffe ich noch auf Wanderer, die die Einsamkeit des beginnenden Herbstes für ihre Tour suchen. Nahezu jede Art von Wetter ist mir bisher begegnet. Ganz egal ob nun Regen, plötzlicher Schnee oder strahlender Sonnenschein so wie heute, das Fjell bot bisher alles auf. Und auch wenn es manchmal wirklich schwer fällt, so machen doch gerade diese Unwägbarkeiten eine solche Langtur aus: Man weiß nie, was man als nächstes bekommt.

Simonpatur - Blick in die Ferne

Simonpatur – Blick in die Ferne – Foto: www.simonpatur.de

 

Wenn man länger als nur ein paar Tage unterwegs ist, stellt sich irgendwann ein ganz spezieller Zustand der Ballastlosigkeit ein. Die Gedanken kreisen nicht mehr darum, wann die nächste Besprechung auf der Arbeit ist oder wie viele E-Mails man noch beantworten muss. Man lebt nur noch im Moment, und es ist allein wichtig, eine möglichst erfüllte Zeit im Fjell zu haben.

Die Prioritäten verschieben sich in eine für mich faszinierende Richtung. Eine tolle Stelle zum Zelten um den Sonnenuntergang zu beobachten ist plötzlich viel wichtiger als ständig online zu sein. Die Reizüberflutung besteht nicht mehr darin, ständig von Radio, Fernsehen oder Handy vollgeplärrt zu werden, sondern in unfassbaren Lichtstimmungen, in Nordlichtern oder der Weite des Fjells. Man wird zu einem Teil der Natur um einen herum und lässt so die Probleme des Alltags hinter sich, denn sie spielen hier draußen einfach keine Rolle. Die Bedürfnisse werden wieder auf einen wunderbaren Minimalismus hinunter geschraubt: Einen schützenden Platz für die Nacht oder ausreichend zu Essen und zu Trinken.

Simonpatur - Bootsfahrt

Bootsfahrt – Foto: www.simonpatur.de

 

Dieses Gefühl tiefer Zufriedenheit kommt auf einer Langtur nach einer Weile von ganz alleine. Wenn man sich darauf einlässt, möchte man es immer wieder erleben – diese Freiheit und Rückbesinnung auf das Einfache, die einem im Alltag oftmals abgeht. Wichtig ist dabei, sich nicht von der Jagd nach Rekorden oder Höchstleistungen antreiben zu lassen. Man darf sich nicht über schlechtes Wetter oder vermeintlichen Niederlagen wie unerreichte Ziele zu ärgern. Diese Dinge gehören dazu, wenn man sich draußen in der Natur bewegt. Man kann sie nicht beeinflussen, gerade das Wetter muss man einfach hinnehmen wie es ist. Auch wenn triste Tage im Regen ziemlich frustrierend sein können, liegt man dann am Abend im warmen Schlafsack, nascht an der Tafel Schokolade und die Tropfen prasseln beruhigend auf das Zelt, ist man doch stolz darauf, diese Herausforderung gemeistert zu haben. Und wenn doch einmal alles überhaupt nicht läuft wie geplant, wenn man die Route ändern oder gar seine Tour abbrechen muss, dann ist das halt so. Da hilft nur es zu akzeptieren und es wieder zu probieren.

Simonpatur - Lagerplatz

Lagerplatz – Foto: www.simonpatur.de

 

Durch die sanfte Landschaft komme ich gut voran, in der Ferne sehe ich Rentiere, die gemächlich durchs Fjell ziehen. Kleine Bäche mäandern durch die Hügel, die der Gletscher vor Urzeiten geformt hat. Das klare Wasser gluckert und wenn ich an einen der Bäche herantrete, um ich mit einer Tasse voll vom kühlen Nass zu erfrischen, sehe ich des Ohfteren kleine Forellen und Saiblinge umherschwimmen.

Das gute Wetter verleiht mir Flügel. Die Wärme der Sonne auf der Haut und die Ruhe um mich herum sind Entspannung pur. Ein zufriedener Blick auf die Karte genügt, ich habe mein Tagespensum schon erreicht. Die 25 Kilometer, die ich mir für heute vorgenommen hatte, vergingen wie im Fluge. Es ist Nachmittag und ich beende den heutigen Tag etwas früher. Ich möchte mir einen schönen Zeltplatz suchen, und noch ein wenig in der Sonne meinen Gedanken nachhängen, dem Müßiggang frönen.

Schon bald werde ich fündig. Das Zelt ist schnell aufgebaut und ich genieße die Aussicht von meiner Zelttür aus. Anschließend lege ich mich auf meine Isomatte und lasse mir in der immer noch warmen Sonne die laue Brise um die Nase wehen.

Text & Bilder: Simon Michalowicz

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