Silvester in den französischen Alpen
Wir verbrachten Weihnachten in Frankreich, im Department Haute-Savoie nicht weit entfernt vom Annecy. Skifahren im Skigebiet “Le Grand Bornand” und im Skigebiet “La Clusaz”, Schneeschuhwandern und Spazieren gehen standen auf unserer To-do-Liste. Eigentlich wollten wir Silvester bei Freunden im Harz verbringen, aber die Wetter- und Schneeaussichten waren nicht berauschend. Kurzentschlossen buchten wir unsere Flüge um und würden Silvester im winterlichen Haute-Savoie verbringen.
[lwptoc]Inhaltsverzeichnis
Wie den Silvestertag & Silvesterabend verbringen?
Wir recherchierten im Internet, aber die Angebote mit Silvesterfeiern auf Berghütten und anschließenden Rodelabfahrten oder anderen Feier- und Sportkombinationen waren schon seit Wochen ausgebucht. Fündig wurden wir auf dem Plateau des Glières. Ein Kalksteinplateau in den Bornes Alpen, wo man gut Schneeschuhwandern und prima Langlaufen kann. Es gibt mehr als 30 km Langlaufpisten, mehrere Hütten und Möglichkeiten für Schneeschuhtouren.
Im Gîte “Chez Merlin” würden wir zu Abendessen, vorher noch Schneeschuhwandern auf dem Plateau de Glières und am Silvestervormittag die Stadt Annecy am Lac d`Annecy besuchen.
Annecy – Das Venedig der Alpen
Der Silvestermorgen versprach einen herrlichen Tag. Nach einem langen Frühstück fuhren wir nach Annecy. Das Auto ließen wir am Parc Charles Bosson stehen und spazierten an der Seepromenade entlang. Viele Spaziergänger genossen den Sonnenschein am Lac d`Annecy. Wir erreichten die Brücke “Pont des Amours” am Eingang des Vassé Kanals, welche die Pâquier (Promenade) mit den Jardins de l`Europe (Gärten) verbindet. Unsere Schritte führten uns in den alten Stadtteil von Annecy, zur Brücke über den kleinen Fluss Thiou, wo der Palais de l`Isle sich mitten im Fluss befindet.
Das Palais d`Isle ist eine kleine Hausfestung, welche über zwei Fußgängerbrücken mit beiden Ufern des Flusses verbunden ist. Im Volksmund wird das Palais d`Isle auch “Les Vieilles Prisons” genannt. In deutscher Sprache bedeutet es “Die alten Gefängnisse”. Heutzutage beherbergt es ein Heimatmuseum, aber früher war es der Hauptwohnsitz des Seigneurs d`Annecy, dann Hauptsitz der Verwaltung der Grafschaft Genf, später als Gerichtgebäude und bis zur französischen Revolution auch als Gefängnis genutzt.
Mit den farbigen Häusern, den Kanälen kommt man sich wirklich wie in Venedig vor. Ein angenehmes Stadtflair, welches zum erkunden einlädt. Heute war Markttag und auf den kleinen Gassen in der Altstadt war dem entsprechend viel los. Eine 15 Meter lange Schlange vor der Boulangerie Artisanale “Marmillon” machte uns neugierig. Wir reihten uns in die Reihe der Wartenden ein.
Das Schaufenster der Boulangerie Artisanale “Marmillon” war mit allerlei leckeren Gebäcken gefüllt, wie zum Beispiel Moelleux Framboises oder Moelleux Myrtilles. In der Boulangerie duftete es herrlich. Hinten wurde noch gebacken und hinter dem Tresen waren viele köstliche Brote, Baguette und andere Backwaren ausgestellt. Wir entschieden uns für einige süße Köstlichkeiten und einem frischen Baguette.
Unser Spaziergang führte uns weiter an den Marktständen vorbei, wo es regionale Produkte zu erstehen gab. Gemüse und Obst aus der Region, Wurst, Antipasti, Backwaren und sehr viel Käse. Tomme de Savoie, Tomme de Chèvre, Reblochons und viele andere Sorten. Mit gefüllten Tüten schlängelten wir uns durch die Passanten und Marktbesucher hindurch bis wir wieder an der Promenade am Lac d`Annecy waren und dann weiter zu unserem Fahrzeug.
Plateau des Glières – Hochburg des Widerstandes
Unsere Anfahrt führte uns von Annecy durch das Dorf Thorens-Glières hinauf auf das Plateau des Glières. Das Kalksteinplateau ist nicht nur ein schönes Fleckchen Erde zum Langlaufen und Schneeschuhwandern im Winter, sondern ist auch ein Ort wichtiger Geschichte des französischen Widerstandes im zweiten Weltkrieg. Der Maquis und die Résistance (französische Widerstand) benötigten in der damaligen Kriegszeit sehr dringend Waffen und Munition um die erwartete Invasion der Alliierten unterstützen zu können.
Eine Mission wurde von London gestartet um 6 mögliche Abwurfpunkte für den Nachschub auszukundschaften und das Plateau des Glières als beste Möglichkeit bewertet. Das hohe, unzugängliche Bergplateau war ideal um Waffen, Munition, Nachschub und Fallschirmjäger abzusetzen. Lieutenant Tom Morel wurde mit der Führung des Maquis beauftragt. Ende Januar 1944 wurde der Ausnahmezustand ausgerufen. Die Vichy Milizen jagte den Widerstand und die Résistance zog sich auf das Plateau des Glières zurück. Ab dem 13. Februar 1944 wurden die 450 Widerstandskämpfer des Maquis von über 2000 französischen Milizionären angegriffen.
Nach blutigen Kämpfen wurde zwischen dem Maquis und der Vichy Milizen ein temporärer Waffenstillstand vereinbart. Der Maquis wurde durch alliierte Nachschubabwürfe versorgt, aber am 23. März 1944 erreichten 3 Bataillone der 157. Reserve-Division der Wehrmacht und 2 Deutsche Polizei Bataillone mit über 4000 Mann, unterstützt von schweren Maschinengewehren, Mörsern, Haubitzen und gepanzerten Fahrzeugen Haute-Savoie. Am 26. März 1944 begann nach Bombenangriffen und Artilleriebeschuss die deutsche Offensive und der französische Widerstand wurde geschlagen und sie zogen sich zurück. Das Plateau des Glières gilt dennoch als Geburtsort der Résistance in den französischen Alpen. Im Jahr 1973 wurde den Kämpfern zu Ehren ein Monument aufgestellt.
Schneeschuhwandern in den letzten Sonnenstrahlen des Jahres
Am Col des Glières (1.425 m Höhe) trafen wir uns am Centre de Ski de Fond (Langlaufzentrum) mit unseren Freunden, welche schon seit dem Vormittag hier waren. Sie powerten sich auf den mehr als 30 km Langlaufpisten bei herrlichem Sonnenschein und blauen Himmel aus. Es war schon früher Nachmittag und wir ergatterten einen Tisch auf der Sonnenterasse. Bei Tee, Kaffee, unseren Mitbringsels aus der Boulangerie Artisanale “Marmillon” aus Annecy verweilten wir lange Zeit in der Sonne frönten dem schönen Wetter.
Nach der Mittagsjause spazierten wir in Richtung Gîte “Chez Merlin” wo wir zu Abend dinieren würden und anschließend wieder zurück zum Parkplatz. Wir verabschiedeten uns von unseren Freunden und suchten unser Schneeschuhequipment zusammen. Zum Sonnenuntergang wollten wir auf dem Höhenzug sein und den Sonnenuntergang genießen.
Die Ausrüstung, Proviant, heißer Tee und warme Kleidung für die Zeit, wenn wir uns nicht bewegten, waren eingepackt. Unser Ziel war der Montagne des Auges, von wo man einen schönes Panorama auf den Mont Blanc, den Chablais und dem Jura haben sollte. Die Schneeschuhwanderung ist relativ kurz und überwindet auch nur knapp 390 Höhenmeter.
Vom Langlaufzentrum querten wir die Langlaufpisten, liefen direkt hinüber in den Wald bergauf. Wir passierten die Freifläche mit dem “Le Chalet des Mouilles” (1.505 m Höhe). Wir folgten den Wegweisern in Richtung “Pas du Loup” und stiegen steiler im Wald hinauf. Nach einiger Zeit erreichten wir die “Plan de Loup” (1.670 m Höhe) und legten eine kleine Pause ein. Anschließend ging es gemächlicher höher bis wir den Bergrücken des Montagne des Auges erreichten und der Blick sich auf das Massiv des Aravis mit dem dahinterliegenden Mont Blanc eröffnete.
Die Wintersonne stand schon sehr tief und bis zum Sonnenuntergang würde es nicht mehr lange dauern, aber der Wind blies hier oben eiskalt. Um uns gegen den eisigen Wind zu schützen, hoben wir ein Schneeloch aus. Während wir gruben, passierten uns einige Wanderer, die auf dem Weg zu den Chalets des Auges waren um dort Silvester zu feiern. Recht schnell hatten wir eine angenehme Tiefe erreicht um im Schneeloch auf unseren Rucksäcken zu sitzen und vorm dem Wind geschützt, die Abenddämmerung zu genießen. Im Osten trafen die letzten Sonnenstrahlen des Jahres den Mont Blanc und ließen ihn glühen. Was für ein Spektakel, dafür hatte sich der Aufstieg wahrlich gelohnt.
Der Schnee knirschte und glitzerte in den Strahlen unsere Stirnlampen
Im Westen hatte sich am Horizont eine Wolkenschicht gebildet und so wurde es kein so schöner Sonnenuntergang wie erhofft. Die Kälte nahm jetzt deutlich zu und wir begannen mit dem Abstieg, das warme Essen und Getränke im Gîte “Chez Merlin” lockten uns. Der Schnee knirschte bei den frostigen Temperaturen. Im Lichtkegel unserer Stirnlampen stiegen wir hinab und erreichten bald wieder den Wald. Unser Atem kondensierte im Lichte unserer Lampen und überall wo die Lichtstrahlen auf die Schneedecke trafen, glitzerten und blinkten die Schneekristalle auf, wie in einem dieser alten Märchenfilme.
Es war Nacht und außer dem Knirschen unserer Schneeschuhe hörten wir nichts. Von Zeit zu Zeit blieben wir stehen um zu horchen und diese unglaubliche Winterstille zu genießen. Zwischen den Baumwipfeln blinkten die Sterne in der klaren Winternacht auf. Wir folgten unseren Spuren im Schnee immer weiter bergab und erreichten schließlich nach einiger Zeit wieder die freie Ebene mit den Langlaufpisten am Col des Glières (1.425 m Höhe). Langlaufpisten wie Parkplatz waren nun leer, wir liefen noch 1000 Meter auf einem Winterwanderweg und erreichten das Gîte “Chez Merlin” (1.450 m Höhe).
Gîte “Chez Merlin” – Tartiflette, Käse & hausgemachter Schnaps!
Der Gastgeber Gilles begrüßte uns sehr freundlich. Wir waren die ersten Gäste an diesem Abend. Eine Gruppe junger Leute aus Paris sollte noch später eintreffen, sowie ein Pärchen aus der Region um Groisy. Gilles hatte das Haus erst einige Jahre. Stück für Stück hatte er es restauriert und modernisiert. Der Gastraum war klein und sehr gemütlich eingerichtet. Überall Holz und Stein in hellen Tönen, was von den installierten Halogenstrahlern angenehm erleuchtet wurde.
Im Gîte “Chez Merlin” kann man zur Halbpension übernachten und tagsüber auch Kleinigkeiten und Getränke verzehren. Abendessen ist immer auf Vorbestellung und Gilles serviert ein Tagesmenü für einen kleinen Preis von 20 Euro. Wir waren gespannt und vor allem hungrig, nachdem wir den ganzen Tag an der frischen Luft gewesen waren. Als Vorspeise servierte uns Gilles einen grünen Salat mit geriebenem Käse, darauf folgte eine Wurstplatte und die berühmten “Beignets de pommes de terre” Kartoffelpuffer. Alles frisch angerichtet und selbst gemacht wie wir beim Plaudern mit Gilles erfahren. Der Käse kommt von hier oben von den Almbauern, das Brot bäckt er selber oder wird von der Bäckerei im nächsten Dorf geliefert. Alle Zutaten möglichst aus der Region.
Als Hauptgang bewirtete uns der Gastgeber mit einer Tartiflette (Kartoffelauflaufgericht). Danach landeten ein Plateau de fromages und 4 Flaschen seiner selbstgemachten Schnäpse auf unserem Tisch. Mit der freundlichen Drohung das ich erst das Gîte “Chez Merlin” verlassen darf, wenn ich von jedem Schnaps gekostet hatte. Ein schwere Aufgabe, welche ich mit viel Fleiß zu lösen gelobte.
Nachdem wir ausreichend gesättigt waren und ich gut angeheitert, folgte als krönender Abschluss noch das Dessert. Selbstgemachte Tartelette aux myrtilles (Blaubeeren-Tartelette). Mit eisernen Willen schafften wir auch diese Süßigkeit. Da wir 1 Stunde Rückfahrt durchs Gebirge vor uns hatten und Schnee angesagt wurde, machten wir uns ziemlich schnell auf den Weg. Kurz vor Mitternacht kamen wir daheim an, rutschten sehr leise und ruhig ins neue Jahr.
Auf ein neues, erfolgreiches, ereignisreiches Jahr.
_______________________________________________
Tourentipps, Unterkünfte und sonstige interessante Orte in Haute-Savoie
Text & Bilder: Mario Hübner
Reiseführer, Wanderführer & Wanderkarten für Haute-Savoie
9 Kommentare
Dieser Artikel wurde gut beschrieben, alles kurz und knapp zusammengefasst 🙂
Nachdem Ich diesen Artikel gelesen habe, hab ich die Lust drauf bekommen in den Winterferien dahin zu reisen 🙂 tolle Bilder! 🙂
Hi Mario,
bisher waren wir immer nur im Sommer am Lac d’ Annecy – dort lässt es sich auch wunderbar Gleitschirmfliegen. Ich liebe die Gegend dort sehr und werde nächstes Silvestern überlegen, dort auch mal das Neujahr zu erleben. Sogar Freunde könnten wir dort besuchen. Danke für die Inspiration!
Liebe Grüße,
Bianca von lebedraussen
Hey Mario,
wirklich eine hübsche Idee für ruhige Silvesterstunden ohne übermäßige Explosionen in der Nachbarschaft.
Aber über euer tolles Wetter komm ich nicht klar. Mega! Wenn es dort immer so viel Sonne gibt, fahr ich in die Alpen ab jetzt nur noch dorthin :p
Viele Grüße aus dem diesigen Mitteldeutschland,
Hagen
Wenn es nur nicht so weit bis hin wäre… Das französische Venedig wandert aber mal direkt auf die Liste. Schaut super aus!
Kulinarisch, sowie landschaftlich eine hervorragende Gegend. Ich musste mitten in deinem Reisebericht auch erstmal kurz stocken: “Wie kommt er denn jetzt nach Venedig?”
Immer wieder schön, was für Orte man entdecken kann, wenn man in den Reiseberichten auf anderen Blogs stöbert.
Lieber Mario,
ein toller Beitrag und sehr passend, suchen wir doch schon länger eine “Hütte” auf der wir Silvester verbringen können. Danke für die vielen Inspirationen und Tipps, ich werde mich gleich mit der Recherche beschäftigen.
Deine Bilder sind übrigens sehr toll, mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen.
LG
Charnette
Oh das wäre ein Paradies für mich. Schneeschuhwandern, wunderschöne Bergaussicht *schwärm*. Wirklich sehr toller Artikel!
Liebe Grüße,
Michaela
Oh das hört sich total schön an. Ein Silvester ganz nach meinem Geschmack… 🙂 Wir lieben solche “Fluchten” zu Silvester auch sehr. So landeten wir spontan schon mal in Rom und Dänemark. Aber die Region um den Mont Blanc hatte ich bisher in der Tat noch nicht auf dem Zettel. Schöne Idee. 🙂
Viele Grüße
Tanja
Hallo Mario,
dein Beitrag ist echt toll, die Fotos sind traumhaft schön. Annecy ist ja ein ganz bezauberndes Städchen! Das ist ganz nach meinem Geschmack. Leider ist es vielfach so, dass sämtliche Berghütten an Silvester ausgebucht sind, und auch die Hotels und Flüge überall sehr überteuert sind. Ich würde gerne mal Sylvester auswärts verbringen, bin dann aber mit kurzfristigem Buchen immer zu spät drann. Aber die Gegend rund um den Mont Blanc möchte ich mir im Sommer auch gerne mal anschauen, danke für die tollen Tipps.
LG Anita